BAND: CHRISIAN BLEES
ALBUM:

LABEL: DAV
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Zuletzt aktualisiert am: 11. Juni 2010
Es wird wohl noch lange dauern, bis man aufhört, sich mit der „bösen“ DDR zu beschäftigen. Immer wieder gerne wird der „Fall der Mauer“ genommen, obwohl es nur in Ost Berlin dieses feste Bauwerk gab, in den anderen Gebieten teurer Zaun, Hunde und so manch Selbstschussanlage zum Einsatz kam. Aber es wurde nicht nur die Grenze bewacht, sondern unter dem Motto „heiße Herzen, kühler Kopf und saubere Hände“ (Dzierzynski) viele militärische, parteipolitische und private Gebäude innerhalb der DDR. Die Wachsoldaten dazu lernten, lebten, (nicht: liebten!!), schliefen, trainierten und bastelten im Regiment „Feliks E. Dzierzynski“ in Kasernen nahe Berlin. Der Journalist Christian Blees beschäftigte sich näher mit dieser gut ausgebildeten Kampfeinheit und fand so Aufnahmen alter Radiosendungen. Das waren ganz besondere Sendungen, die jeden Tag pünktlich mit dem Weckpfiff 6 Uhr begannen und zur Nachtruhe 22 Uhr endeten. Hören konnten dieses Radioprogramm auch nur die Soldaten und Offiziere von „Feliks E. Dzierzynski“. Die Alternative hierzu war kein anderes Radioprogramm, weil Kofferheulen strengstens verboten, sondern einfach nur der Knopf zum aus- und anschalten. In einem Feature fasst Blees, leider etwas wüst und in keiner chronologischen Reihenfolge, den bunten Mix des Studiofunks zusammen. Die ehemaligen Soldaten Thomas und Klaus erzählen vom täglichen Leben und immer wieder über den Inhalt der Sendungen. Ab und an hört man sogar Chöre singen und einige Brocken von Interviews zwischen Radiosoldaten und wichtigen Persönlichkeiten, genannt: Waffenbrüder, Klassenbrüder und Kampfgenossen. So berichteten die Radiomacher gerne direkt von Kampfübungen und über die hauseigene Singegruppe. Wenn Mielke irgendwo einen politischen Furz ließ, kam es sofort zu einer Programmunterbrechung. Nach Angaben von weiteren Dzierzynski-Soldaten war das Angebot sehr weit gefächert, es reichte von Beiträgen über die kubanische Revolution bis zu Stellungnahmen neuer Parteimitglieder („Wir sind wieder einer mehr!“). Hier merkt man sofort, dass der Text feststand und nur noch abgelesen wer-den brauchte. Die Stimme des jeweiligen Soldaten zittert nämlich und Versprecher gehörten sowieso dazu. Welcher heutige Politiker spricht schon frei und lässt sich seinen Text nicht von einer Agentur zusammen schustern? Wohl nur der Westerwelle: Das erkennt jeder an seinem feisten Grinsen. Zurück zu den Radiojournalisten des Wachregiments, die mit Worten, Beiträgen und Liedern gegen den Imperialismus kämpften und alle Tschekisten sozialistisch erziehen sollten. Dazu gehörten vor allem die Singegruppen und Chöre der Einheit und manch Beattitel, den sich die Kampfgenossen während der Grußsendungen wünschen durften. Hier galt, wie bei allen DDR-Rundfunksendern, 60 % Musik aus dem RGW und 40% fortschrittliche populäre Musik des kapitalistischen Auslands. Leider gibt es auf der CD „Wir sind eine feste Bastion“ nur kleine Schnipsel bereits ausgestrahlter Sendungen zu hören, man wünscht sich mehr Lieder und einige längere Ausschnitte von Reportagen und Gesprächen. Der letzte Beitrag, ein Interview mit ranghohen Offizieren, die in der Nacht den Bau einer Brücke, durch eine Pioniereinheit, begutachteten, macht nämlich Appetit auf diese unfreiwillige Komik mit ernstem Hintergrund. Ehemalige Soldaten des Wachregiments sollten sich dieses Album zulegen, denn es ist ein berührender Ausschnitt ihres Lebens, der nicht vergessen werden darf.
ThoBe
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