MICHAEL RUDOLF, KAY SOKOLOWSKY, F. W. BERNSTEIN
Stadt Land Russ`: Geschichten aus der Fränkischen Schweiz - Buch

Oktober Verlag – VÖ: 2011
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Zuletzt aktualisiert am: 02. Juli 2011
„Unrecht ist der Welten Lohn“, heißt ein bekanntes Dichterwort, an dessen Namen ich mich gerade nicht erinnern kann. Er ist tot und hat dies für die Ewigkeit zurück gelassen. Und tot sind gar viele Dichter, Denker und Schriftsteller, weiteren geht es gerade nicht gut. Manche sind zu Unrecht gestorben, hier kann man bis heute nicht erklären, warum sie diese Erde verlassen und uns einsame Kämpfer zurück gelassen haben. Michael Rudolf ist so ein Zurücklasser. 2007 verstarb er auf tragische Weise, ich könnte immer noch flennen. Warum hat es nicht Günther Grass erwischt? Noch vor seiner groß angelegten Offenbarung, dass er bei den Nazis Hurra brüllte. Jede Menge Geld hat er damit verdient, sich danach jegliche Kritik verbeten. Oder warum lebt denn der Biermann noch? Immer noch kann er den Spiegel vollseiern, alle Stasi-Denkmäler besuchen und den sich mittlerweile nicht mehr wehren Könnenden mit ach so kritischen Worten den Kopf abschneiden. Zurück zu Michael Rudolf, der gerne auf die Genannten mit wohlfeilen und gut gesetzten Worten einschlug und das ganze Getue um den Osten zutiefst verabscheute. Manches war gut (Jürgen Kerth, SBB), Vieles schlecht und jetzt nicht besser. Gerne liest man bis heute seine fortschrittlichen Bücher, die an Lexika erinnern, aber nichts damit zu tun hatten, voller Spaß sind und bis zum heutigen Tag wache Hirne erzeugen. Erinnert sei an das „Lexikon der Rockgitarristen“, an die ständig erweiterten Bücher über Biere, die viele Freunde heute noch vor unliebsamen Geschmacksverirrungen schützen müssten. Nie werde ich Oettinger trinken, Rudolf sei Dank. Auch die bis ins kleinste Detail stimmigen Pilz- und Radfahrbücher bleiben unerreicht. Vor allem an seine Geschichten und Reportagen über Land und Leute, Heimat und Nachbarländer sollte man sich erinnern. Jede Äußerung wurde genau recherchiert, Erhaltenswertes richtig analysiert und die „Großkopferten“, speziell des Vogtlandes, mit der Keule tief in die heimatliche Erde gerammt. Geliebt hat der feine Herr Rudolf das Frankenland, denn hier stimmt alles: In jedem Dorf braut man die leckersten Biere, die riesigen Schnitzel schmecken noch nach Schnitzel und die Natur lud ihn regelmäßig zum Radeln ein. Auf den verschlungenen Wegen durch Wald und Wiese traf er wohl oft mit den fränkischen Ureinwohnern zusammen, trank mit ihnen das bernsteinfarbene Nass, aß mörderische Schnitzel, trieb beim geselligen Beisammensein wissenschaftliche Forschungen und erfuhr unheimliche Geschichten aus früherer Zeit, die er natürlich heimlich mitschrieb. Dies war richtig, denn die Welt verlangte danach. Je mehr Material der Greizer Bürger hatte, je sonnenklarer wurde es ihm, dass der Russ` an viel Unheil, an Krieg und Schändung Schuld hatte. Entstanden ist daraus ein Heimatbuch voller Witz, Humor und Tollerei und F.W. Bernstein lieferte kleine und sehr feine Vignetten dazu. So richtig los ging es mit den Zwistigkeiten zwischen Franken und Russ` 1645, als zum ersten Mal ein wilder Russ` im Fränkischen gesichtet wurde. Nur zwei Jahre später kam es zu ersten Überfällen in „Litzendorf, Walberla, Hollfeld, Wonsees und eventuell auch woanders“. Weiter ging es mit „Russ`-Attacken“ (1700), mit dem niederbrennen, erbauen, umbenennen und wieder niederbrennen vom listigen Muggendorf, mit dem „Schnitzelsommer“ (1866), dass beim Russ` „Großes Aufmerken“ bewirkte und schließlich 2005 mit dem entscheidenden Ende: „Russ` hackt zuerst sich, sodann seinen ganzen Corpus entzwey. Zeitnah zerplatzen die Franken nach übermäßigem Forellenverzehr. Ende der neuen Weltgeschichte. So muss man das auch mal sehen, Herrschaften!“ Rudolf und Sokolowsky verfassten nun in altbewährter Schrift (man liest fast vergessene Wörter wieder, wie: Sprüchwort, Jungfern, leuchtige Augs, eitel Musica) Geschichten und Anekdoten, die in diesem langen Zeitraum im Lande, zwischen den Raufbolden so passierten. Man entdeckte so eine Servicewelle, die vom Regionalsender für die bevorstehenden Plünderungszüge des Russ` eingerichtet wurde, erfuhr weiter ein plötzliches Zusammengehen und Einfallen beim „schoflen Schweden“, weil der UN-Sicherheitsrat jegliche Feindseligkeit untersagte, und vernahm sogar die Kunde über die drei tapferen Franken, die Michael, Michael und Michael hießen. Man liest voller Freude romantische Kunstmärchen, „poetischen Schabernack“ und verrückten Nonsens. Nun schnell die wohl beste Geschichte, bei der Worte Gefühl und Seele ersetzten: „Wenn der Krokus aufgeht und die Wandervögelein wieder ihren Gesang über die grünenden Fluren lassen erschallen, dann kommt auch der Russ` ins Land eingefallen. Gelegentlich vergisst er`s aber“. Reine Poesie die bräsige Heimatkundler verstummen lassen sollten.
ThoBe / Holger Sudau
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