BAND: MICK HARVEY
ALBUM:

LABEL: MUTE / GOODTOGO – VÖ: 04.04.2014
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Zuletzt aktualisiert am: 14. April 2014

Mick Harvey ist ein großartiger Musiker, der aber überwiegend im Hintergrund aus der zweiten Reihe heraus agiert und entsprechend nicht den Bekanntheitsgrad hat, der ihm und seinem musikalischen Wirken gebührt. Man kennt ihn sicherlich in erster Linie als Ur-Mitglied von NICK CAVE AND THE BAD SEEDS. Allerdings hat er dazu in vielen anderen Kollaborationen tolle Musik produziert, wie z.B. mit CRIME AND THE CITY SOLUTION, Anita Lane oder der (nur namentlich verwandten) großartigen P.J. Harvey. Aber in seiner über dreißigjährigen Karriere hat er sechs Alben als Solokünstler produziert. Das jüngste Werk „Four Acts Of Love“ von 2013 beschäftigte sich mit dem Thema Liebe. Zuletzt arbeitete Harvey mit Alex Hacke (EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN) unter anderem an der Musik zu „Ministry Of Wolves, einem Theatersoundtrack für das Schauspiel Dortmund. Bereits in den 1990er Jahren hatte Harvey neben seiner Hauptbeschäftigung in Nick Caves Band offensichtlich ein Faible für Projekte und Konzeptalben. So entstanden „Intoxicated Man“ (1995) und „Pink Elephants“ (1997), auf denen er die Musik des französischen Musikers, Dichters, Exzentrikers und Lebemanns Serge Gainsbourg erstmals umfangreich von der französischen Sprache ins Englische übersetzte und die nun als Doppelalbum wiederveröffentlicht werden. Gainsbourg gilt in Frankreich als als einer der bedeutendsten Musiker des 20. Jahrhunderts und mit den beiden Alben machte Mick Harvey sein international weitestgehend unbekanntes Werk (mit Ausnahme vom einst skandalösen „Je t’aime… Moin Non Plus“) auch international zugänglich. Harvey setzte darauf, Gainsbourg musikalisch wie inhaltlich möglichst authentisch zu übersetzen und möglichst wenig zu „interpretieren“, da er die großartige Musik kaum verändern und dessen Exzentrik nicht glätten wollte. Trotzdem renovierte er vorsichtig den leicht angestaubten Sound der sechziger und siebziger Jahre. Die behutsame Übersetzung und Restaurierung ist wunderbar gelungen. Auf beiden Platten ist Gainsbourgs musikalischer Charakter erhalten geblieben, aber der Sound klingt auf klassische Art gegenwärtig und frisch. Auf „Pink Elephants“ gelang das noch besser als beim tollen „Intoxicated Man“. Je länger sich Harvey mit der Musik beschäftigt hat, desto mehr konnte er sich offensichtlich mit dem künstlerischen Wesen identifizieren. Und während man bei „Intoxicated Man“ musikalisch noch öfter an das leicht dandyhafte BAD SEEDS-Mitglied denkt, sind bei „Pink Elephants“ alle Manierismen verschwunden und Harvey ist völlig eins mit Gainsbourg. Lustigerweise ist das auch an den Covern abzulesen. Während Harvey auf dem „Intoxicated Man“-Cover noch im weißen Anzug, mit zurückgegeltem Haar und einem Drink auf dem Klavier zu sehen ist, liegt er ganz schlicht auf dem Original „Pink Elefants“-Cover auf einem unstylishem Teppich, im knittrigen Alltagshemd. Sei’s drum – beide Alben beinhalten großartige Mucke, der die Zeit dank Mick Harvey nichts mehr anhaben kann.

Jo Neujahr
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