LEE MILLER
Krieg - Reportagen und Fotos

Bittermann – VÖ: 15.09.2013
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Zuletzt aktualisiert am: 14. April 2014

Aus dem Verlag Edition Tiamat kommt jetzt ein wunderbares Buch, das den kurzen und prägnanten Titel „Krieg“ trägt. Auf über 260 Seiten schildert die US-Amerikanerin Lee Miller die Schrecken des 2. Weltkrieges. Lee Miller kam 1907 in New York zur Welt und wurde mit 20 Jahren von Condè Nast als Fotomodell entdeckt. Sie legte kaum Wert auf das perfekte Kleid, auf die absolute Stellung oder auf die ganz spezielle Diät, vielmehr interessierte sie sich für Kunst und Fotografie, lernte in Paris Picasso und die Surrealisten kennen und gründete in ihrer Heimatstadt ein eigenes Fotostudio. Die Arbeit für die Zeitschrift „Vogue“ brachte Lee schließlich ab 1942 einen ungewöhnlichen Job ein: Sie wurde als Kriegskorrespondentin akkreditiert.

So zieht nun diese wunderschöne Frau in Uniform, einer Kameraausrüstung und einigen Zigaretten mit den Alliierten durch Europa, um über die Befreiung hautnah berichten zu können. Ihre Reportagen werden von der, sich ansonsten eher mit Mode und Lebensstil beschäftigenden, „Vogue“ komplett und ungekürzt abgedruckt. So schreibt Lee Miller mitreißende, bildliche und fesselnde Reportagen und liefert gleich die Fotos dazu, die oft erschüttern und den Leser richtig an die Zeitschrift binden. Jeder Satz, jedes Bild ist schonungslos, offen und unerbittlich, oft spricht aus diesen Dokumenten der berechtigte Hass gegenüber dem „Dritten Reich“. Mit Freude und leichtem Humor schildert die Kriegsreporterin viele kleine Aktionen, die die Franzosen gegen die Deutschen, die sie immer Hunnen und Krauts nennt, veranstalteten.

Weiter berichtet Lee Miller ausführlich über den Einmarsch der Amerikaner ins Dritte Reich, schildert die Kapitulation der Deutschen und einige Seiten später, was sie auf dem langen Weg durch das Land alles zu sehen bekommt. Nichts ignoriert sie, alles will sie mit Bildern und Texten den Lesern in der Heimat weiter geben. Das zerstörte Köln, das kaum noch zu erkennende Nürnberg und die nur noch aus Ruinen bestehende Hauptstadt Berlin erlebt Lee Miller hautnah. Als sie dann mit GIs auf Berge von Leichen in den Konzentrationslagern von Dachau und Buchenwald stößt und viel über das grausame Schicksal Überlebender erfährt, schreibt sie einen wütenden Bericht mit kaum zu fassenden Wahrheiten. Später hält die Reporterin außerdem fest, wie die Einwohner von Weimar, die angeblich von nichts gewusst haben, durch das gerade befreite KZ laufen müssen.

Nur wenige Tage später landet Lee in München, geht in Hitlers Privatwohnung, als gerade dessen Tod bekanntgegeben wird. Fast ironisch beschreibt Miller Hitlers kleinbürgerlich eingerichtete Wohnung. So können die Zeitungsleser hautnah erfahren, dass in der Wäsche die Initialen A.H. eingestickt sind und sich in einer unscheinbaren Ecke ein „großer cremefarbener Safe“ befindet. Zwischen der Beschreibung der Wohnung erzählt die Autorin sehr genau und erschütternd über Revolutionäre, die in München für die Freiheit kämpften und von der SS exekutiert wurden, wie die bayerische Stadt kapitulierte und wie ein Gefangenenlager funktionierte. Und Lee Miller ist auch die Einzige, die Hitlers intakte Badewanne benutzte. Hier wurde das kampferprobte ehemalige Model wieder ganz zur Frau, hier wusch sie sich den Nazidreck vom Körper.

„Krieg“ ist ein spannendes, manchmal bissiges, immer aufregendes und unerbittliches Buch voller Kriegsreportagen, Briefe und Artikel, das den 2. Weltkrieg in seiner ganzen Härte und Schonungslosigkeit schildert, dabei Freud und Leid der befreiten Bevölkerung nicht auslässt. Aufwühlend und sehr menschlich sind Millers Fotos, die dem Buch einen passenden Rahmen verleihen. Man muss diese Texte als eine wichtige Ergänzung zu all den dicken und manchmal sehr wissenschaftlichen Druckerzeugnissen über den hässlichen 2. Weltkrieg ansehen.

Thobe
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