The_Traveling_Band„Ich habe mich im Traum selbst aufgeweckt.“

 

Berlin: Man müsste meinen, dass eine so wohlklingende britische Band, die in den hintersten Winkeln des Inselkönigreichs getourt ist und mit ihrem zweiten Longplayer „Screaming Is Something“ dem Nu-Folk die Krone aufsetzt, einen wesentlich breiteren Hörerkreis ihr eigen nennen darf. Da wird es höchste Zeit für THE TRAVELLING BAND,

neue Grenzen auf dem musiksüchtigen europäischen Festland zu passieren. Wir haben mit den Leadsängern Adam Gorman und Jo Dudderidge über Aufnahmen mitten im Nirgendwo, über Tour-Premieren und die Kreativität begünstigende körperliche Gebrechen gesprochen.

Völlig im Kontrast zum Debüt, das in New York aufgenommen wurde, verzog sich die Band dieses Mal in eine zum Wohnhaus umgebaute Kirche auf der klitzekleinen, entlegenen Isle Of Mull vor der britischen Küste, auf der es laut Jos Angaben „außer ein paar Kühen, Ottern und dem alten Postboten" kaum etwas zu sehen gebe. Ihr Ziel war es, von allen Ablenkungen in ihrer Heimatstadt Manchester so weit wie möglich weg zu kommen, dementsprechend klingt das Resultat wesentlich abgeklärter als der Vorgänger. Wo sich die LP „Under The Pavement“ noch schrottreife Patzer wie „Angel Of The Morning“ leistete und an manchen Stellen ermüdend voraussehbar war, legt Album Nummer zwei immer zum richtigen Zeitpunkt Feuerholz zur Wärmung der Seele nach. Die Band selbst wurde während der Aufnahmen anscheinend eins mit ihrem Wohn- und zugleich Arbeitsort, da sie die Infrastruktur der alten Kapelle in die Songs einarbeitete. „Im Turm war noch die kaputte Glocke, die man am Anfang von 'On The Rails' hört. Wir sind mit einem Hammer und dem Mikro hochgeklettert und haben sie aufgenommen", berichtet Adam. Auch ein Lagerfeuer, das ab und zu im Gebäude brannte, fand seinen Weg auf die Scheibe.

On the road haben die Jungs aus Manchester schon einiges erlebt und in der Heimat mit Größen wie Laura Marling oder FLEET FOXES gespielt. Bei vielen Stationen der Europa-Tour feierten sie dann Premiere, auch in Deutschland. „Das ist wie ein neuer Anfang, als ob man auf der untersten Stufe der Leiter stünde“, kommentiert Jo. Dennoch hat für ihn das Unbekannte auch seine Vorzüge:"Das Beste daran, in Europa zu touren, ist einfach, dass man all die Städte besichtigen kann, von denen man schon so viel gehört hat…“

Die Rippen des Frontmannes brachen übrigens direkt nach seiner Geburt und durchbohrten so Teile seiner Lunge. Dadurch habe er heute nur 1,3 Lungenflügel zur Verfügung, die er jedoch für seinen markanten Gesang voll ausschöpft. Überhaupt scheint dieser struwwelige Herr mit den großen Augen ein geplagter Mensch: Anfang 2011 erkrankte er an einer Meningitis, durch die er über Wochen bettlägerig wurde und oft lange am Tag schlief. „Das wird wirklich langweilig. Ich hatte während des Schlafs aber manchmal plötzlich die Einsicht, dass mir gerade ein Text oder eine Melodie eingefallen ist. Dann habe ich mich im Traum selbst aufgeweckt und die Ideen schnell festgehalten." Diese Fähigkeit, seine Träume bewusst zu beenden, hat er bis heute nicht verloren und er nutzt seinen Schlaf weiterhin als Inspirationsquelle. Wohin das noch führen wird, erfahren wir wohl auf dem dritten Album – traumhafte Aussichten, wie ich finde.