farin_urlaub.jpgViererpack auf dem Ponyhof!

Berlin / 8.12.2008: Nach zwei Studio-Alben stand auf dem Live-Album nicht mehr FARIN URLAUB, sondern FARIN URLAUB RACING TEAM drauf. Nicht wirklich groß ist die Überraschung, dass der Schriftzug jetzt auch auf dem darauf folgenden, dritten, Studiowerk „Die Wahrheit übers Lügen“ in roten Lettern auf dem sehr hübschen Cover prangt. Farin hat mal wieder auf Reisen, beim Joggen, im Flugzeug und an weiteren möglichen und unmöglichen Orten Texte und Melodien zusammengebastelt und viele Grundideen und Songgerüste gesammelt, als es ins
 Studio ging, jedoch hat das RACING TEAM dieses Mal viel mehr mitgewerkelt am Endprodukt. Damit ist das FARIN URLAUB RACING TEAM derzeit wohl die größte bekannte Band, sogar größer als SLIPKNOT, die „nur“ zu neunt in Iowa aufnahmen.
 
Empfand ich das Debut „Endlich Urlaub“ in erster Linie als ziemlich lustig und das Zweitwerk „Am Rande der Sonne“ als eher düster, so greifen diese Pole beim neuen Album nicht mehr. Der erste Eindruck: die Scheibe bleibt nicht ganz so einfach im Ohr hängen wie bei den ersten zwei Platten, jedoch macht sich ziemlich schnell die Ahnung breit, es hier doch wieder mit einem super Werk zu tun zu haben, was sich ungefähr ab dem fünften Hören als völlig knorke korrekt herausstellt. Natürlich sind von Anfang an gewisse süchtig machende Melodien und Arrangements herauszuhören, wie bei „Unscharf“ und „Gobi Todic“, und vor allem auf das Bläser-Finale bei „Karten“ hab ich schon ab dem zweiten Hören mit freudiger Spannung gewartet. In anderen Songs wie „Monster“ und „Atem“ klappt dies nicht so schnell, dafür aber umso nachhaltiger. Dies betrifft auch die Texte, denn nicht immer erschließt sich gleich, wovon das Ganze denn so handeln könnte. Die anfangs ausgekoppelte Single „Nicht im Griff“ oder das konsumkritische „Krieg“ sprechen eine deutliche Sprache, aber ob und inwieweit „Pakistan“ „Gobi Todic“ und „I. F. D. G.“ ironisch sind oder nicht, bleibt erst mal als Fragezeichen im Kopf und dadurch bleibt die Platte lange spannend. Gerade beim letztgenannten Song hab ich den Eindruck, die Band hat viel Mitsprache gehabt, im übertragenen wie im wahrsten Sinne. Sehr lustig ist, wie eine Dame von der Band Farin wegen seinen Tanzkünsten (um die es schon auf dem Debut-Album ging) erst kritisiert und dann hofiert, weil er ihr sagt, sie soll sich nicht mit dem Chef anlegen. Überhaupt sind die Reggae-, Ska und Dancehall-Tracks in der gerade krass daherkommenden düsteren Jahreszeit so gut wie ein Vitamin-Power-Drink – nicht nur wegen der Musik, sondern auch aufgrund der heiteren und dennoch schlauen Texte.
 
Womit wir auch schon bei der sinnvollen Aufteilung in das große Album „Büffelherde“ und das kleine Album „Ponyhof“ sind. Im kürzlich stattgefundenen WAHRSCHAUER Interview erzählt Farin, wie wenig er den Bruch aufgrund des Ska-Songs auf dem letzten Album mochte, deshalb gibt es die fluffigen Dancehall/Reggae-Tracks im Viererpack auf der Zweit-CD „Ponyhof“. Gute Idee! Meistens höre ich trotzdem beide Alben hintereinander. Mehrmals. Auch die ausufernde musikalische Vielfalt trägt dazu bei: Punkrock, Balladen, Rock, Ska, Reggae, ein wirklich sehr trauriges Liebeslied und mehr Experimentierfreude als bei den Vorgängerplatten erzeugen auf „Die Wahrheit übers Lügen“ eine wahre Pracht.

TIPP: Interviewstory im kommenden WAHRSCHAUER Magazin, Ausgabe #57.