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Niemand ist wegen Veränderungen hier!

Ein lauer Sommerabend in Berlin. Die S-Bahnen sind brechend voll. Plötzlich ertönt in einer der hinteren Ecken aus einem Handy „Thunderstruck“ von der wohl größten Rockband der Welt, der Band, der dieser laue Sommerabend in Berlin gehört. Eine Frau mokiert: „Könnten Sie das eventuell ausmachen?“. Der Mittfünfziger-Störenfried antwortet wie er es wohl vor 30 Jahren auch getan hätte. „Junge Frau, ich würde gerne, aber heute jeht‘s einfach wirklich nich“. „Wieso?“ fragt die junge Dame verdutzt. „Na heute spielense: AC/DC im Olympiastadion, deshalb meckernse soviel se wollen oder steigense aus.“

"font-family: arial,helvetica,sans-serif; font-size: 10pt;">IMG-20150701-WA0006 klAb Westkreuz geht es dann in Bahnen vollgepackt wie Büchsen mit Ölsardinen zum Stadion. Schwarz dominiert, leichte Bierbauchansätze, Lederstiefel und Jeansjacken, der Duft von Rock`n’Roll - Schweiß, Zigaretten und bestes Hopfengetränk - schwängert die zu warme Luft der Bahn.

Vor der Bahnstation ein ähnliches Bild. Freunde treffen sich, man sitzt auf Blumenrabatten und schwärmt beim Bier über die alte Zeit. Eine sehr positive Anspannung ist zu spüren. Drinnen angekommen geht’s direkt in den Innenraum, an den vordersten für Normalsterbliche zu erreichenden Wellenbrecher. Der Raum hinter einem füllt sich langsam aber stetig. Es ist 18 Uhr.

Fünfzehn Minuten später beginnen THE WHISKEY FOUNDATION aus München diesen illüstren Sommerabend. Die Band spielt feinsten Blues-Rock und begleitet die Starkstromband auf dem Deutschlandleg ihrer Welttournee. Leider schlecht abgemischt, dennoch musikalisch überzeugend bringen THE WHISKEY FOUNDATION die Menge auf Trab. Nach der ersten dreiviertel Stunde Musik wird es schon schwieriger den Bierstand aufzusuchen ohne seinen Platz einzubüßen.

Nachdem das nächste Bier geleert worden ist, kommen die unglaublichen VINTAGE TROUBLE aus Los Angeles zum Zug. Schon mit deutlich besserem Sound als ihre Vorgänger und mit dem an eine Mischung aus James Brown und Chuck Berry erinnernden Sänger Ty Taylor im Gepäck, macht sich die Band auf, die akustisch verwöhnten AC/DC Anhänger auf ihre Seite zu ziehen. Schon nach dem ersten Song tanzt der komplette Innenraum. Mit ihrem Vintage 50s/60s Rock trifft die Band genau auf den Nerv der Zuhörer. Durch die sehr hohe Bühnenaktivität von Sänger Ty und der wunderbaren Präsenz der restlichen Bandmitglieder ist das Publikum nun perfekt für Brian Johnson und Konsorten eingestimmt.

Die mit Wellblech verkleidete Bühne, die von den AC/DC-charakteristischen Teufelshörnern gekrönt wird, hat es faustdick hinter den Ohren, was sich im Laufe des Abends noch zeigen wird. Pünktlich um 20:45 beginnt der Intro-Film der aktuellen „Rock or Bust-Tour“ mit einem Kometeneinschlag, aus dem AC/DC geboren werden. Die Band startet mit Vollgas und der Krachersingle „Rock or Bust“ aus dem neuen Album in ein fulminantes Set aus Hits


Stevie Young nimmt als einziger Untersechziger der Band den Platz von seinem an Demenz erkrankten Onkel Malcom ein. Er spielt seine Gitarre, steht an seinem Platz und wirkt keineswegs wie ein Neuzugang, der er ja, nachdem er die 1988er Tournee der Band mitspielte, auch nicht mehr ist. Die Gruppe vertraut wie immer auf eine Wand aus den guten alten Marshall-Amps, die ihnen den Rücken auf der Bühne freihält. Der wiedergekehrte Chris Slade macht nach dem Abgang von Phil Rudd eine sehr gute Figur.

AC/DC, die seit 1973 bestehen, haben 2014/2015 mit einigen Personalwechseln zu kämpfen gehabt, die aber keineswegs Einfluss auf die musikalische Qualität der zeitlosen Rock`n Roll Band aus Australien nehmen.

Die Band prügelt sich durch das Set, macht zwar längere Pausen zwischen den Songs, büßt aber nicht an Agilität während des Spielens ein. Jeder Gitarrenton von Angus Young sitzt, genauso wie die Schuluniform. Cliff Williams agiert in seiner Bassecke zurückhaltend wie eh und je. Als dann bei „Let There Be Rock“ bei Angus Young bis auf die samtene Hose alle Hüllen fallen ist klar: AC/DC sind nicht gereift, sondern brennen noch immer in alter Manier.


Von Alter, Problemen und Sorgen keine Spur, Spielfreude und Vollgas dominieren. Als dann bei „For those about to Rock“ 10 Kanonen auf die Bühne rollen, die nacheinander abgefeuert werden, ist der Abend perfekt. Beschlossen wird die Sause durch ein Feuerwerk, das hinter der Bühne aufsteigt. Die Band hält sich an diesem Abend nicht mit Geplänkel auf, sondern spielt ein grandioses Set voller Hits inklusive zweier Zugaben. Die Setlist wird von Konzert zu Konzert der aktuellen Tour kaum verändert, aber wer, der sich an diesem lauen Sommerabend im Olympiastadion eingefunden hat, ist schon wegen großer Veränderungen hier? Niemand. Ein Konzert für mindestens drei Generationen begeistert junges und altes Publikum. Eine weitere gute Eigenschaft, die die Elterngeneration ihren Kindern mitgibt ist das Hören der guten alten Musik aus Australien. Obwohl die Generation Smartphone Konzerte auf andere Art und Weise genießt, Zeiten ändern sich nun mal. Hört ihnen zu, denn: „For those about to Rock, we salute you“.

AC/DC sind Rock`n‘Roll Helden, mögen Klatschspalten und Rock´n‘Roll-Ungläubige auch anderes behaupten. Rock`n Roll is, and will always be alive.

MarLo