NocturnusGötter des Symphonic Death Metal

1990, also vor 29 Jahren, erschien das wegweisende NOCTURNUS-Album „The Key“, das damals einigen Staub in der Death Metal-Szene aufwirbelte. Der ausufernde Keyboard-Einsatz im extremen Metal war nicht jedermanns Sache und so polarisierte der ehemalige MORBID ANGEL-Drummer Mike Browning mit seiner Band, die thematisch im eher spacigen Alien/NASA/Andromeda-Komplex unterwegs war, statt sich auf profanes Gemetzel oder Satanismus zu beziehen. All dies und die Tatsache, dass ein singender Drummer die Ausnahme im Death Metal

war, sowie die messerscharfen, extrem gitarrenorientierten Orgien aus Double-Bass, Kettensägen und Synthesizern führten dazu, dass NOCTURNUS sich eine die hard-Fanbasis erspielten, die Band, Image und Konzept beinahe abgöttisch liebte.

Leider kam es nach weiteren Veröffentlichungen, mehreren Umbesetzungen und Spannungen innerhalb zu einem Zerwürfnis, an dessen Ende sich zwei Bands bildeten. Der Kern veröffentlichte unter dem alten Namen noch bis ca. 2002 Alben. Mike Browning besann sich auf das ursprüngliche Konzept, um mit neuen Mitstreitern NOCTURNUS AD zu starten. 2019 sieht also mit „Paradox“ die Fortsetzung des damals eingeschlagenen Weges und das aktuelle Album ist ganz klar als direkter Nachfolger zu „The Key" zu verstehen. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten der Doppel-LP-Vinylversion habe ich mir zunächst die Streamingversion auf Spotify reingepfiffen ... und wurde weggeblasen!

Der Opener mit dem programmatischen Titel „Seizing The Throne“ beginnt mit einem kurzen Synthie-Intro, um sodann in archaischer Urgewalt die Außerirdischen anzurufen. Wahnwitzig verzerrte Gitarren treffen donnernd-treibendes Doublebass-Spiel vor der brachialen Rhythmus-Sektion. Brownings Gesang hat sich in fast drei Jahrzehnten kein bisschen verändert, er keift und growlt wie in besten Zeiten!

Die Produktion ist gelungen, präzise, hart aber nie zu modern. Der alte Spirit wird perfekt eingefangen. Im weiteren Verlauf stehen insgesamt 9 Tracks, die abwechslungsreicher kaum sein könnten, aber jederzeit als NOCTURNUS (AD) zu identifizieren sind. Die hohe Qualität des Werks wird durchgehend gehalten und kulminiert in dem apokalyptisch-bizarren Lovecraft-Brecher „Aeon Of The Ancient Ones“, ein Song der auch auf „The Key“ das Zeug zum ultimativen Klassiker gehabt hätte. Ein hohes Selbstbewusstsein demonstrieren die fünf Florida-Boys (inklusive ex-OBITUARY-Basser Dan Tucker) mit „Apotheosis“, dessen Bedeutung (Gottwerdung) sie vollauf gerecht werden.

Mike Browning und NOCTURNUS AD schwingen sich mit „Paradox“ zu den einzigen Göttern des Symphonic Death Metal auf und hinterlassen bei mir altem Fan einen offenen Mund, nostalgische Begeisterung aber definitiv auch Aufbruchstimmung! Der Thron wurde ergriffen!

(Profound Lore Records)